Serge Sabarsky (1912-1996)
Das letzte Mal trafen wir einander zufällig
im Restaurant der National Gallery in Washington. Er saß mit Ronald
Lauder am Nebentisch. Wir verabredeten uns für den nächsten
Besuch in New York ein Jahr später. Im Gegensatz zu früheren
Jahren telefonierten wir nicht mehr regelmäßig miteinander.
Deshalb überraschte mich sein Tod auf schockierende Weise
von seiner Krankheit wusste ich nichts. Sicher, er war in den letzten
Jahren seines Lebens schwächer geworden. Es passierte oft, dass
er beim Plaudern in seinem gemütlichen New Yorker Büro einschlief.
Dann war er wieder voller Elan, und wir spazierten in Richtung Metropolitan
Museum, wo er vor der jetzigen Neuen Galerie stehenblieb und stolz in
seinen Plänen schwelgte.

The Neue Galerie New York at 1048 Fifth Avenue,
designed by Carrere & Hastings, 1912-14
Er gehörte zur aussterbenden Gattung des eleganten Herrn, dennoch
kramte er gerne in seiner Schublade mit Orden und Auszeichnungen. Nur
für solche Anerkennungen arbeitete er und wusste doch zugleich
von der Bedeutungslosigkeit seines Professorentitels. Gerne saß
er im Kunsthistorischen Museum vor den alten Meistern. Er war ein Kosmopolit
und global player im Organisieren von Ausstellungen, vor allem aus seinem
Spezialgebiet Expressionismus. Er residierte in den ersten Hotels und
freute sich, von den Portiers im Goldenen Hirschen in Salzburg
oder im Wiener Imperial erkannt zu werden. Überall
hatte er seine Kontakte. Am Gerücht, an jedem Flughafen erwarte
ihn eine schöne Frau, war etwas dran. Er sehnte sich nach einer
festen Beziehung, träumte oft von seiner bei einem Autounfall tödlich
verunglückten großen Liebe, und war bis zuletzt auf der Suche
nach einem Ersatz. Seine Frau blieb im Hintergrund. Wenn er jemanden
selten genug - in seine große Wohnung in der Nähe
des Central Parks mitnahm, wo sich die gerahmten Klimt- und Schiele-Zeichnungen
an den Wänden reihum stapelten, lernte man sie vielleicht kennen.
Mit der Mutter seines Sohnes in München hatte er nach eigener Aussage
nur geschäftlichen Kontakt.
Trotz seiner Einsamkeit beschenkte Serge Sabarsky viele mit dem Gefühl
einer exklusiven Freundschaft. Er war großzügig und witzig.
Wer ihn früher kennenlernte durfte, noch in seiner kleinen Galerie
in der Madison Avenue, die ihm Richard Lindner vermittelt hatte, kam
in den Genuss unerschöpflicher Erzählungen aus seinem abenteuerlichen
Lebensweg. Auch den New Yorker Alltag überzog er mit einem Gewebe
von Anekdoten. Gegenüber manchen Juden in New York hatte er seltsamerweise
Vorbehalte mit der stillen Frage, wie es diesen gelungen sein mag, den
Holocaust zu überleben. Über den latenten Antisemitismus der
ihn anhimmelnden Wiener Gesellschaft hat er manchmal gelästert,
aber meist hinweggesehen. Eine Zeitlang suchte er in Österreich
ein großes Haus, bevor er sich dazu entschloss, seine Sammlung
mit Lauders Hilfe in New York zu präsentieren. Wie viele Emigranten
träumte er wohl davon, zurückzukehren.
aeiou - Österreich Lexikon
Sabarsky, Serge
Sabarsky, Serge (eigentlich Siegfried Sabarsky), * 3. 11.
1912 Wien, † 23. 2. 1996 New York (USA), Kunsthändler
und -sammler. Zunächst als Graphiker und Bühnenbildner in
Wien tätig, emigrierte er 1938 nach Frankreich und 1939 in die
USA. Nach Tätigkeiten im Bau- und Holzgewerbe eröffnete er
1968 eine Galerie in New York und beschäftigte sich vor allem mit
Jugendstil und Expressionismus in Deutschland und Österreich (unter
anderem E. Schiele, G. Klimt). Widmete sich ab den 80er Jahren vor allem
Wanderausstellungen seiner Sammlung sowie dem Aufbau des Internationalen
Kulturzentrums E. Schiele (E. Schiele Centrum) in Krumau (C§esky
Krumlov, Tschechische Republik).
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Literatur: H. Haider (Hg.), Ich, S. Sabarsky, 1997.
http://www.oe-journal.at/Aktuelles/0503/W2/11905sabarsky.htm
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